Neustart bei der Leiharbeit?

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Ab 1. April 2017 ist es soweit. Dann ist die AÜG-Reform umgesetzt, mit der die Leiharbeit in Deutschland reguliert werden soll. Zum Vorteil der fast eine Millionen Leiharbeitnehmer? Über das auch für die Hotellerie wichtige Thema sprach Cost & Logis mit Fachanwältin Dr. Julia Reinsch.

Frau Dr. Reinsch, was ändert sich durch die Überlassungshöchstdauer?

Der Verleiher darf denselben Leiharbeitnehmer ab dem 1. April 2017 per Gesetz nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate demselben Entleiher überlassen und der Entleiher denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate tätig werden lassen. Das Verbot bezieht sich auf Arbeitnehmer, nicht auf Arbeitsplätze: Bei Erreichen der Überlassungshöchstdauer darf ein anderer Leiharbeitnehmer vom selben Verleiher auf dem gleichen Arbeitsplatz eingesetzt werden. Das Verbot bezieht sich auf das Unternehmen, nicht nur auf den Betrieb. Ein Einsatz gilt nur dann als neuer Einsatz, wenn zwischen den Einsätzen mehr als drei Monate liegen. Danach beginnt die Frist für die Höchstüberlassungsdauer neu. Die 18-Monats-Frist beginnt erst mit dem Inkrafttreten der AÜG-Reform am 1. April 2017. Verstöße sind damit erst ab dem 1. Oktober 2018 möglich. Es besteht aber schon jetzt Handlungsbedarf, um einen kontinuierlichen Arbeitskräfteeinsatz sicherzustellen und die Weiterbeschäftigung beziehungsweise den Einsatz erfahrener Kräfte mit Betriebskenntnissen etc. zu sichern.

Lässt sich von der Überlassungshöchstdauer abweichen?

Im neuen AÜG sind mehrere Möglichkeiten zur Abweichung von der Überlassungshöchstdauer vorgesehen. Die Ausnahmeregelungen sind allerdings für die Praxis schwer verständlich. Welche Gestaltungsmöglichkeiten Unternehmen haben, hängt wesentlich davon ab, ob der Entleiher tarifgebunden ist und ob im Einsatzbetrieb ein Betriebsrat existiert. Wird die zulässige Überlassungshöchstdauer überschritten, müssen die Leiharbeitnehmer vom Entleiher übernommen oder an einen anderen Entleiher – gegebenenfalls im regelmäßigen Wechsel im Abstand von mehr als drei Monaten – überlassen werden. Andernfalls drohen die Entstehung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher und Bußgelder bis zu 30.000 Euro. Der Verleiher läuft zudem Gefahr, seine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis wegen Unzuverlässigkeit zu verlieren. Es ist daher wichtig, dass die Unternehmen Einsatzdauer und Unterbrechungszeiten für jeden ihrer Leiharbeitnehmer ab dem 1. April 2017 genau überwachen und dokumentieren, um sich um Alternativen bemühen zu können.

Was ist beim Einsatz von Subunternehmern zu beachten?

Als wichtige Änderung der AÜG-Reform gilt das Verbot des Ketten-, Zwischen- oder Weiterverleihs. Die Überlassung von Arbeitnehmern ist nur noch zulässig, wenn zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht. Arbeitnehmer dürfen in Zukunft somit ausdrücklich nur noch von ihrem Vertragsarbeitgeber an den Entleiher zur Arbeitsleistung überlassen werden. Verleiht der Entleiher den Leiharbeitnehmer weiter, verstößt er ab dem 1. April 2017 gegen das AÜG. Für die Praxis birgt dies vor allem bei einer zu intensiven Eingliederung von Arbeitnehmern eines Subunternehmers des Auftragnehmers in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers Schwierigkeiten. Ein Beispiel: Die Sicherheit des Hotelgeländes wird über einen externen Dienstleister gewährleistet, mit dem ein Werk- oder Dienstvertrag seitens des Hotels abgeschlossen wurde. Aufgrund dessen soll der Dienstleister die Sicherheit mit eigenem Personal selbstständig erbringen. Der Dienstleister setzt wiederum Arbeitnehmer eines Subunternehmens als Sicherheitspersonal ein. Wenn dieses Sicherheitspersonal dann zu stark in die Arbeitsorganisation des Hotels eingegliedert und von den Hotelmitarbeitern angewiesen wird, möglicherweise sogar Hoteluniformen trägt, sind solche Konstellationen nach dem Verbot des Ketten- Zwischen- oder Weiterverleihs sorgfältig zu prüfen und die Handhabung gegebenenfalls zu ändern. Sind die Parteien hier irrtümlich davon ausgegangen, dass Auftraggeber und Auftragnehmer einen Werk- oder Dienstvertrag geschlossen haben und handelt es sich tatsächlich um Arbeitnehmerüberlassung, müssen Unternehmen mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 Euro rechnen. Gerade bei diesen Konstellationen sind die Ansatzpunkte für die Arbeitsagentur zur Verhängung von Sanktionen enorm, denn es liegen mehrere Verstöße vor: Bei irrtümlich falscher Einordnung des Vertragsverhältnisses handelt es sich in der Regel um eine „verdeckte“ Arbeitnehmerüberlassung, für die keine Erlaubnis vorliegt. Auch die Überlassungshöchstdauer kann überschritten worden sein. Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sind wahrscheinlich.

Hilft das Vorhalten einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis?

Bei Auftragnehmern (= Verleihern) ist es in der Vergangenheit durchaus üblich gewesen, eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vorzuhalten (sogenannte „Vorratserlaubnis“). Stellt sich erst während der Zusammenarbeit mit einem Werkunternehmer heraus, dass ein Scheinwerkvertrag und damit eigentlich Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, so führte die „verdeckte“ Arbeitnehmerüberlassung dazu, dass zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher ein Arbeitsverhältnis begründet wurde. Um dies zu verhindern, hielten die vermeintlichen Werkunternehmer regelmäßig eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vor, die in einem Streitfall als „Fallschirmlösung“ eingesetzt werden konnten, um die zuvor geschilderten negativen Folgen zu vermeiden. Diese Praxis wird ab dem 1. April 2017 unterbunden. Soll ein Arbeitsverhältnisses des Leiharbeitnehmers mit dem Entleiher verhindert werden, muss die Arbeitnehmerüberlassung ausdrücklich im Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher als solche bezeichnet werden und den neuen Vorgaben entsprechen. Vor der Überlassung ist die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf den Vertrag zu konkretisieren. All dies muss schriftlich erfolgen.

Wie beurteilen Sie die AÜG-Reform?

Die Reform sollte dazu führen, dass Leiharbeitnehmer vor Missbrauch geschützt werden. Unternehmen wünschen sich Flexibilität und wenig Bürokratie. Leiharbeitnehmer, Betriebsräte und Gewerkschaften streben nach sicheren Arbeitsplätzen, Planbarkeit und guten Arbeitsbedingungen. Die Reform stellt sich in weiten Bereichen als Stückwerk dar. Kritisch zu bewerten ist nicht zuletzt die Überlassungshöchstdauer. Da Leiharbeitnehmer aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht schlechter gestellt sein, vor allem nicht schlechter bezahlt werden dürfen als die Stammbelegschaft, gibt es keinen sachlichen Grund, die Überlassungshöchstdauer so restriktiv zu handhaben. Ich bezweifle, dass die Reform die Übernahmechancen für Leiharbeitnehmer verbessern wird. Es ist eher davon auszugehen, dass die Einsatzdauer von Vorneherein auf wenige Monate begrenzt und es zu einem häufigeren Austausch des Personals kommen wird. Der Einsatz der kritisierten Werkverträge bleibt auch nach der AÜG-Reform zulässig. Es ist nur darauf zu achten, dass diese präziser formuliert und tatsächlich als Werkverträge gelebt werden.

 

Frau Dr. Julia Reinsch

… ist Partnerin bei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner Rechtsanwälte mbB. Als Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht berät sie deutsche und ausländische Unternehmen, unter anderem solche aus der Hotellerie. Das Recht der Arbeitnehmerüberlassung sowie die Beratung bei Fremdpersonaleinsätzen sind wichtiger Bestandteil ihrer täglichen Beratungspraxis. Zu diesem Themenfeld hat sie auch promoviert. Frau Dr. Reinsch veröffentlicht Fachbeiträge und referiert auf fachspezifischen Veranstaltungen.

Die Kanzlei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner Rechtsanwälte mbB

… beschäftigt gut 40 Rechtsanwälte am Standort Düsseldorf. Mandanten sind mittelständische Unternehmen und internationale Konzerne ebenso wie die öffentliche Hand. Seit 1999 begleitet die Kanzlei deutsche Mandanten im China-Geschäft und berät große chinesische Unternehmen mit Investitionsvorhaben in Deutschland.