Muss die Betriebsunterbrechungsversicherung bei Corona zahlen?

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Behördliche Verfügungen und Erlasse aufgrund des Corona-Virus zwingen viele Betriebe dazu, ihre Türen zu schließen. Ausgenommen sind lediglich sogenannte systemrelevante Unternehmen, zum Beispiel Autowerkstätten, Tankstellen und Lebensmittel-Discounter. Der Auto- und übrige Einzelhandel sowie die Hotellerie und das Gaststättengewerbe sind hingegen auf breiter Front zum Erliegen gekommen. Mit der Folge, dass die Einnahmen fehlen, die Kosten aber weiterlaufen.

Welchen Zweck hat eine Betriebsunterbrechungsversicherung?

Die Betriebsunterbrechungsversicherung (BUV) entstammt der Sachversicherung. Sie deckt den Schaden ab, den das Unternehmen infolge einer vorübergehenden Schließung erleidet. 

Der Klassiker ist ein Brandschaden. Wenn die Betriebsstätte und/oder die darin vorhandenen Betriebsmittel zerstört oder etwa durch Ruß und Hitze beschädigt worden sind, zahlt der Versicherer den Schaden, der dadurch entsteht, dass der Betrieb aufgrund des Schadens vorübergehend unterbrochen werden muss – zum Beispiel für die Dauer der Instandsetzung, Sanierung oder der Errichtung eines Neubaus. Was und wie lange er leisten muss, ist von Fall zu Fall unterschiedlich.

Umfasst der Schutz auch Schließungsanordnungen?

Die moderne BUV ist der Kaskoversicherung bei Autos vergleichbar. Ob und welcher Schaden versichert ist, richtet sich nicht nach dem Gesetz, sondern nach den vereinbarten Bedingungen.

In der „Grunddeckung“ sind Leistungen aus der BUV in der Regel nur zu erwarten, wenn Betriebsmittel beschädigt oder unbrauchbar geworden sind. 

Ob der Versicherer bei einer behördlichen Schließungsanordnung zahlen muss, hängt von dem jeweiligen Grund ab. Wenn die Schließung angeordnet wird, zum Beispiel weil die Betriebsstätte nach einem Brand einsturzgefährdet ist, muss der Versicherer zahlen. Bei einer Schließungsanordnung wegen Krankheit oder Seuche dagegen fehlt der Sachschaden. Die Betriebsmittel können als solche ja – zumindest theoretisch – weiter genutzt werden. Wer hier nur über ein (billigeres) klassisches Deckungskonzept verfügt, geht höchstwahrscheinlich leer aus.

Die Bedingungen müssen Infektionskrankheiten mit umfassen!

Anders sieht es aus, wenn die Bedingungen auch Betriebsunterbrechungen infolge von Infektionskrankheiten nach § 6 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) umfassen. Die Krux: Manche Bedingungen gewähren nur Versicherungsschutz für die in §§ 6 und 7 IfSG in der Fassung vom 20.07.2000 genannten Krankheiten und Erreger. COVID-19 ist aber ein neuer Erreger und erst seit dem 30.01.2020 meldepflichtig. Es ist daher nicht auszuschließen, dass sich manche Versicherer auf das Wording der Bedingungen zurückziehen und darauf berufen, dass Betriebsschließungen infolge von Corona nicht abgedeckt sind.

Gegen eine derartige Auslegung spricht aber bereits die Zielsetzung des IfSG. Es wurde geschaffen, um den Schutz der Bevölkerung vor Infektionskrankheiten zu verbessern und soll dazu führen, dass bekannte und neue Infektionskrankheiten frühzeitiger erkannt werden, damit schneller und zielgerichtet Bekämpfungsmaßnahmen eingeleitet werden können (Bundestagsdrucksache BT 14/2530 v. 19.01.2000). Die Erläuterung in den Gesetzesmaterien zu §7 IfSG ist noch deutlicher. Diese sprechen ausdrücklich davon, dass die aufgeführte Liste von Krankheitserregern nicht abschließend ist und auch neue, nicht aufgeführte Krankheitserreger erfasst. 

Unklarheiten in den Versicherungsbedingungen gehen zu Lasten des Versicherers!

Hinzu kommt, dass Versicherungsbedingungen aus Sicht eines „durchschnittlichen verständigen Versicherungsnehmers“ auszulegen sind. Entscheidend ist daher, wie dieser das Regelwerk versteht und verstehen darf. Verklausulierte Absichten des Versicherers spielen keine Rolle. Es ist daher ziemlich egal, ob eine Behörde die Schließung anordnet oder „nur“ die Öffnung untersagt. Für den „verständigen Versicherungsnehmer“ läuft das im Ergebnis auf das Gleiche hinaus. 

Kulanz ist unwahrscheinlich

Da Pandemien und ihre Folgen bisher nicht im Fokus der Versicherer standen, werden deren Rückstellungen und Rückversicherungskonzepte der aktuellen Situation vermutlich nicht gerecht. Höchstwahrscheinlich werden viele Versicherer auf die Bedingungen verweisen, diese zu ihren Gunsten interpretieren und Leistungen verweigern. Da die Bedingungen aber oftmals nicht eindeutig oder gar missverständlich formuliert worden sind, sollten sie bei einer Leistungsablehnung unbedingt einer fachkundigen Prüfung unterzogen werden. Im Zweifel kann sich ein Rechtsstreit lohnen. 

Wenn Entschädigungsansprüche gegen die Behörden nach dem Infektionsschutzgesetz bestehen, scheiden Ansprüche aus der BUV übrigens in aller Regel aus. Maßgeblich ist aber auch hier der jeweilige Vertrag. 

Autoren: Stephan Schmid / Michael Neugebauer

Rechtsanwälte, Fachanwälte für Verkehrsrecht, Fachanwälte für Versicherungsrecht der ETL Kanzlei Voigt Rechtsanwalts GmbH

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